Fotogeschichten und Geschichtsbilder

In Europa wird intensiv über den angemessenen Umgang mit afrikanischem Kulturgut debattiert - auch über historische Fotografien, die das koloniale Afrikabild mitkonstruierten. In Tansania etablierten sich seit der Unabhängigkeit des Landes 1961 neue und eigenständige Praktiken im Umgang mit materiellem Erbe aus der Kolonialzeit. Ausgehend von den aktuellen Gebrauchsweisen dreier Fotografien aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zeigt Eliane Kurmann, wie Tansanier_innen koloniale Hinterlassenschaften seit den 1960er Jahren aneignen, umdeuten und in die postkoloniale Geschichtskultur einbinden. Die Studie geht auch den Entstehungskontexten dieser Fotografien und ihren früheren Verwendungen nach und entschlüsselt die medialen Konstellationen, in denen sie einst ihre kolonialen Bedeutungen erhielten. In den veränderten Gebrauchsweisen werden tiefgreifende Bedeutungsverschiebungen erkennbar, durch die koloniale Fotografien zu Bildern der tansanischen Geschichte geworden sind.